Wie beeinflusst der Krieg weltweit Landwirtschaft & Ernährung?
Die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine erschüttern die Welt. Wie Sie sicher schon bemerkt haben, ziehen sie auch an den Lebensmitteln hierzulande nicht spurlos vorbei. Was bedeutet die Situation für Landwirtschaft und Ernährung in Deutschland und sogar auf der ganzen Welt? Was können wir tun? Welche Stärken haben regionale Bio-Produkte?
Zu Beginn der Corona-Pandemie, haben wir es erst erlebt: Viele Menschen sind verunsichert und bevorraten sich mit haltbaren Lebensmitteln. Wieder gibt es Lücken im Regal. Und wieder werden Importabhängigkeiten extrem spürbar, auch in Deutschland. Zum Glück sind wir hier nach wie vor gut (selbst-) versorgt, doch der Krieg wirkt sich auch auf unser Ernährungssystem aus.
Hier fassen wir Ihnen einige Punkte zusammen, woran das liegt und wie wir zumindest teilweise entgegensteuern können. Auch einige unserer regionalen Partnerbetriebe haben wir dazu befragt.
• Rohstoffe: Die Ukraine und Russland gehören zu den wichtigsten Weizenexporteuren der Welt. Die Ukraine gilt sogar als „Kornkammer Europas“. Viele weitere Agrarprodukte wie Soja, Mais und Pflanzenöl werden aus der Ukraine importiert. Doch seit Kriegsbeginn stehen nicht nur Exporte still, sondern ggf. auch auch Aussaat für künftige Ernten.
• Versorgungsengpässe: Ukrainische Ernteausfälle verstärken weltweite Hungersnöte. Besonders hart treffen die fehlenden Getreidelieferungen Entwicklungsländer, die von Weizenimporten Russlands und der Ukraine abhängig sind. Aber auch andere Länder, deren Supermarktregale zunächst voll bleiben, haben durch die Verknappung mit solch steigenden Preisen zu kämpfen. Das trifft ganz besonders einkommensschwächere Menschen.
• Energiepreise: Die drastische Erhöhung der Preise für Gas und Öl hat Auswirkungen auf alle Stationen unserer Lebensmittel – von der Erzeugung bis zum Transport.
• Suche nach Alternativen: In Deutschland können wir uns mit Getreide zum Glück selbst ausreichend versorgen. Unsere Abhängigkeit zeigt sich z.B. bei ukrainischem Futtermais. Zwar kann Deutschland ihn auch aus Ländern wie Süd- oder Nordamerika beziehen, doch zu längeren Transportwegen kommt hinzu, dass Amerika v.a. gentechnisch veränderten Mais exportiert.
• Wird Bio-Futter knapp? Ein klarer Vorteil in der ökologischen Landwirtschaft ist die flächengebundene Tierhaltung, d.h. ein großer Teil des Futters und Düngers wird selbst oder in regionalen Kooperationen hergestellt. Für Bio-Höfe könnten v.a. Bio-Eiweißfuttermittel für Hühner und Schweine knapp werden, da diese zu großen Teilen von ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen in der Ukraine kommen.
• Klima- UND Krisensicher: Inmitten dieser globalen Krise muss nicht nur eine kurzfristige Lösung her, sondern weiterhin die Auswirkungen unseres Agrar- und Ernährungssystems auf Klima, Umwelt und Artensterben betrachtet werden.
Was tun? Der Münchner Ernährungsrat (MER) erklärt, wie wir aktiv können. Den ganzen Beitrag finden Sie HIER:
1. Regionale Wertschöpfungsketten reaktivieren: Mehr Grundnahrungsmittel auf regionaler Ebene produzieren und regionale Wertschöpfungsketten wiederbeleben.
2. Kreislaufwirtschaft fördern: Futter direkt vom Hof! Die Kreislaufwirtschaft arbeitet mit möglichst geschlossenen Nährstoffkreisläufen. Gerade Betriebe mit Verbands-Zertifizierung wie Bioland, Naturland oder Demeter beziehen z.B. mindestens die Hälfte des Tierfutters vom eigenen Betrieb und nutzen eigene organische Dünger. Das macht sie unabhängiger, spart Transportwege und Ressourcen.
3. Mehr biologische Landwirtschaft: Die biologische Landwirtschaft kommt ohne chemisch-synthetische Stickstoffdünger aus und ist daher unabhängig von entsprechenden Exportstopps, Lieferengpässen oder Preiserhöhungen, die den Düngemarkt stark betreffen.
4. Getreide auf den Teller statt in Trog oder Tonne: D.h. Fleischkonsum reduzieren, weniger Getreide für Tierfutter, mehr Platz für den Anbau von Nahrungs- statt Futtermitteln. Außerdem unbedingt unnötige Lebensmittelabfälle vermeiden!
5. Urban Gardening & selbst anbauen: Ausweitung von Urban Gardening-Projekten, Nutzung von öffentlichen Plätzen für den Anbau von Lebensmitteln: Im Schulgarten, öffentlichen Grünanlagen...
Alexander Fuchs, Bioland-Bauer, Schrobenhausen
Wir merken Auswirkungen in allen Bereichen. Nicht nur die Treibstoffe sind teurer geworden, sondern auch Verpackung und Saatgut haben deutlich zugelegt. Am schwierigsten ist die Situation bei Ersatzteilen. Entweder sind sie gar nicht oder nur sehr spät lieferbar oder sehr viel teurer. Die regionale Vermarktung spielt in dieser Situation Ihre Stärken aus.
Dr. Michael Rittershofer, TAGWERK e.V., Dorfen
Die Verunsicherung ist im Moment sehr groß. Das bekommen wir auch im Handel zu spüren. Einerseits werden Hamsterkäufe getätigt, so dass die Biohöfe gar nicht mehr mit dem Liefern nachkommen, anderseits spüren die Biomärkte eine große Zurückhaltung beim Einkauf seitens der Kundschaft. Woran dies genau liegt und wie sich die Situation entwickelt, müssen wir abwarten.
Was aber deutlich wird ist, dass die bio-regionalen Strukturen, die TAGWERK schon seit fast 40 Jahren lebt, eine wichtige Antwort auf die Krise sind. Enge regionale Lieferketten sind deutlich weniger störanfällig, gewährleisten eine Grundversorgung mit einem vielfältigen Warensortiment und sind aufgrund ihrer kurzen Transportwege energiesparend. Gleiches gilt für den Ökolandbau. Bio-regionale Lebensmittel sind gleichermaßen ein Baustein zur kurzfristigen Krisenbewältigung als auch für eine enkeltaugliche Zukunft.
Markus Schleich, Geflügelhof, Peiting
Natürlich spüren wir die Auswirkungen des Krieges. Alles was an Futter noch nicht am Hof lagert wird immer teurer, überall kommen ständig neue Energiekostenaufschläge dazu usw. Natürlich ist es ein Vorteil, Kreisläufe regional zu gestalten. Wir haben lange überlegt, ob wir die erheblichen Mehrkosten weitergeben. Noch machen wir das nicht, unsere Produkte sollen weiterhin für alle kaufbar sein.
Dirk Hauschild, Fritz Mühlenbäckerei, Aying
Auch wenn wir schon immer einen großen Fokus auf Regionalität setzen, sind wir leider nicht von einem weltweiten Preiswahnsinn ausgenommen. Neben den Rohstoffpreisen sprechen wir heute über Energiealternativen und mehr Partnerschaften. Unsere Regionalitäts-Quote beim Rohstoffeinkauf steigt mit jedem Jahr hin zu mehr lokalen Partnern. In bewegten Zeiten gibt es mir Vertrauen in unsere Lieferanten und unsere regional belieferten Kunden.