VollCorner wehrt sich gegen EU-Normen
München, 18.04.2017 – Obwohl sich Menschen weltweit gegen die Verschwendung von verzehrfähigen Lebensmitteln einsetzen, wird sie in Bayern verordnet. Weil Kiwi-Doppelfrüchte nicht der speziellen Vermarktungsnorm der EU entsprechen, untersagt ein Kontrolleur der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft deren Verkauf. Der Münchner Bio-Filialist VollCorner wehrt sich dagegen, indem er die Beanstandung ignoriert und die Früchte weiter verkauft. Handelsklassen sind im Handelsklassengesetz festgelegte Normen, die v.a. zum Ziel haben, Händler und Verbraucher vor minderwertiger Ware zu schützen. Die zehn wichtigsten Obst- und Gemüsearten unterliegen in der EU speziellen Vermarktungsnormen. Dazu gehören neben Äpfeln, Zitrusfrüchten, Salaten, Pfirsichen, Nektarinen, Birnen, Erdbeeren, Gemüsepaprikas, Tafeltrauben und Tomaten auch Kiwis. Größensortierung, Aufmachung, Kennzeichnung und Toleranzen hinsichtlich Güte und Gewicht innerhalb von Handelsklassen sind für diese Früchte genau festgelegt. Die Kontrolle über die Einhaltung dieser Vermarktungsnormen, obliegt der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bzw. den Kontrollstellen der Bundesländer.
Am 11.04.2017 findet ein Kontrolleur der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in der VollCorner Biomarkt Filiale Kazmairstraße im Münchner Westend eine Kiste sog. „Maus Kiwis“. Diese extra-großen Kiwis sind Doppelfrüchte, die aus einem zusammengewachsenen Fruchtkörper zweier einzelner Kiwis bestehen. Diese spezielle Wuchsform ist eine Laune der Natur und kommt zum Unmut der Erzeuger regelmäßig vor. Denn die verzehrfähigen, reifen Früchte sind kaum vermarktungsfähig und landen daher meist auf dem Kompost. Das hat zwei Gründe. Die Doppelfrüchte entsprechen laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft nicht der speziellen Vermarktungsnorm für Kiwis und dürfen deshalb nicht gehandelt werden. Bliebe noch die Möglichkeit, die Früchte zu Marmelade o.ä. weiterzuverarbeiten. Doch nachdem die meisten Maschinen auf Einzelfrüchte ausgelegt sind, wird diese Option kaum genutzt.
Um dem Irrsinn ein Ende zu bereiten, vermarktet unser Großhändler Weiling die Doppelfrüchte als „Maus-Kiwis“. Die Früchte werden dazu mit einem Aufkleber versehen, auf dem Gesichtszüge zu sehen sind. Mit viel Fantasie gleichen die Doppel-Kiwis optisch damit einer Maus mit großen Ohren.
Bei besagter Kontrolle bei uns in der Kazmairstraße wurde angeordnet, die Maus-Kiwis aus dem Verkauf zu nehmen. Denn laut Kontroll-Protokoll entspräche die bewusste Vermarktung dem Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit.
Das System der Vermarktungsnormen steht seit vielen Jahren in der Kritik. Da es sich hauptsächlich mit äußeren Merkmalen wie Beschaffenheit, Form und Größe auseinandersetzt, werden Qualitätskriterien wie Geschmack, Reife oder Sorte nicht berücksichtigt. „Das führt dazu, dass ernährungsphysiologisch einwandfreie Lebensmittel aufgrund leichter äußerlicher Abweichungen in der Tonne landen.“, erklärt VollCorner Geschäftsführer Willi Pfaff. „Diese Lebensmittelverschwendung wollen wir nicht akzeptieren. Wir verkaufen die Maus-Kiwis weiter!“